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    Nimm nur Erinnerungen mit, hinterlasse nichts außer Fußspuren.

    Chief Seattle (eigentlich Lushootseed Si'ahl; *1786 / +1866)

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    "Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens."

    Friedrich Hebbel (*1813 / +1863)

Vorbereitung

Anfang 2020 sollte es bereits als Resident Engineer nach Madrid gehen. Leider kam die Seuche CoV-2 "Coronavirus" dazwischen. Und so wurde erst einmal aus der Entsendung zum 01. April 2020 der 01. September 2020. Da aber noch vorher der größte Teil des Urlaubes abgegolten werden musste, reifte der Plan, unser Auto nach Madrid zu überführen und dabei unterwegs Urlaub zu machen. Aufgrund der Notwendigkeit, die Wohnung bereits zum 01. August übernehmen zu müssen wurde aus der ausgedehnten Urlaubstour dann nur eine kurze Fahrt mit Zwischenstopps.

Ausgehend von der Heimatbasis wurden Zwischenhalt bei der Familie in Thüringen gemacht, dann ging es weiter über Colmar, Arles und Andorra nach Madrid.

Da wir für ca. ein Jahr oder länger in Madrid bleiben sollen, mussten wir natürlich auch den größten Teil der dort von uns benötigten Sachen von Daheim mitnehmen. Wir haben keinen Lkw, also musste eine Idee her, was alles mit kommen sollte und wie.

Dirk, planvoll bis zum Erbrechen, erstellte bereits seit Ende 2019 eine Liste der mitzunehmenden Wäsche, Gebrauchsgegenstände, IT und vielem mehr. Aufgrund diverser Überlegungen sowie der Tatsache, dass nicht alles mit konnte oder musste, schrumpfte dann die Liste.

Wie weiter mit dem ganzen Zeug?

Dirk kam auf die Idee, dass man sich Euroboxen besorgt und dann einfach alles in die Kisten packt und die Kisten in das Auto stapelt.

Wie viel passt denn in so einen Renault Kangoo? Mit Maßband und Zettel bewaffnet wurde der Kofferraum vermessen und ein Packplan anhand der Eurokistenmaße erstellt. Da es verschiedene Lagermöglichkeiten gab, denn der Kangoo ist dummerweise nicht für Euroboxen optimiert, gab es dann auch ca. 8 Stauplankonzepte. Eines passt schon...

Nachdem wir die Anzahl der Kisten auf acht Stück beschränken mussten, denn es sollten ja noch andere Sachen rein und die Sicht nach hinten sollte erhalten bleiben, wurde stückweise gepackt.

Zum Schluss kamen neben den acht Eurokisten noch die Camping-Kochbox, die Lebensmittelkiste, die Nähmaschinenkiste, zwei unterschiedliche Zubehörkisten, die Kiste mit der Drohne sowie ein Wasserkanister, ein Benzinkanister, die Campingsitzgarnitur, zwei Campingstühle, das Vorzelt und die Reiserucksäcke sowie etwas Kleinzeug in das Auto. Nicht dass jetzt einer mit Überladung kommt: Wir haben alle Kisten gewogen und sind mit uns auf eine Zuladung von knapp 400 kg gekommen, d.h. wir waren weit unter dem Grenzlastmaß.

So, dann kam der Tag der Abreise...

30.07.2020 Horbourg-Wihr / Colmar (Frankreich)

Nach gefühlten drölfzigtausend Fahrstunden und 618 km (seit Thüringen), die wir zum Glück ohne Staus oder Langsamfahrstellen abspulten, trafen wir am Nachmittag im elsässischen Horbourg-Wihr ein, dem Nachbarort des von uns für den Besuch geplanten Colmar. Dort bezogen wir einen schönen Stellplatz auf dem Campingplatz. Nach dem Aufbau gingen wir schnurstracks nach Horbourg-Wihr, aber außer einer kleinen Kirche und dem Gemeindehaus gab es nicht viel zu sehen. Dafür entschädigten wir uns mit leckerem Backwerk aus der Patisserie. Schließlich soll es morgen den ganzen Tag durch Colmar gehen und die Tagestemperaturen waren schon auf "Brate gar, du Vogel" eingestellt.

31.07.2020 Colmar (Frankreich)

So, Evi wollte unbedingt, dass wir in Colmar halten. Mein Arbeitskollege Gerhard meinte, die Stadt ist sehr schön. Und siehe, ich wurde nicht enttäuscht. Bei gefühlten 120°C stiefelten wir durch die wunderschöne Altstadt. Damit wir auch mal heruntertemperieren konnten, wurde Mittag in der Markthalle bei Kleinvenedig für wenig Geld ein ausgiebiges Menü mit Kaltgetränken und Quiche goutiert. Pro-Tipp: Ist es draußen heiß zum Backen müsst ihr in eine Kirche schlappen.

01.08.2020 Fontvieille / Arles (Frankreich)

Evi, bekennender van Gogh-Fan, wollte unbedingt in Arles vorbei, wo van Gogh einige seiner schönsten und produktivsten Jahre verbrachte.

Von Colmar nach Arles sind es 684 km, der längste Reiseabschnitt. Dummerweise wollten Millionen Franzosen, Belgier und andere Nationen auch nach Süden. Staus und Langsamfahrstellen ohne Ende, weil sich noch nicht herumgesprochen hat, dass es effektiver ist, wenn man einen großen Sicherheitsabstand zwischen den Autos lässt und statt sofort auf die Bremse zu treten, wenn vor einem sich etwas tut, eher doch vom Gaspedal zu gehen. 

 Sur le pont d’Avignon, On y danse, on y danse, Sur le pont d’Avignon On y danse tous en ron... Endlich erreichten wir Avignon. Evi wollte sich die Stadt gerne ansehen, da es aber schon sehr spät war, sind wir nur durchgefahren. Da Dirk aber beim Abfahren auf die richtige Straße einen Steuerfehler beging, mussten wir eine kleine Ehrenrunde an der Stadtmauer von Avignon entlang fahren und Evi bekam die Chance, etwas von der alten Stadt zu sehen.

Nach unsäglichen Stunden in größter Hitze und anstrengenden Stop-and-Go Abschnitten, haben wir es am Abend doch endlich ohne Unfälle nach Fontvieille, dem Nachbarort von Arles geschafft. Dort wollten wir unser Lager in einem schönen Campingplatz aufschlagen. Kurz vor dem Ziel entdeckten wir gegen 19 Uhr in Tarascon noch ein Hinweisschild auf eine Abtei. Damit wir also nach langer, öder Fahrt nicht frustriert ins Bett müssen, haben wir schnell die paar Kilometer einen Abstecher zur Abtei Saint Michel de Frigolet gemacht. Das Kloster wurde im 10. Jahrhundert gegründet und besitzt eine prachtvoll bemalte Kirche (Imaculée Conception), die 1982 vom Papst zu einer Basilika erhoben wurde. Leider hatten wir nicht mehr all zuviel Zeit und das Licht war auch schon aus in der Abtei. Also konnten wir nur wenig sehen. Aber das, was wir gesehen haben, lohnte sich. Wenn wir wieder mal vorbei kommen, werden wir uns die Abtei vollständig ansehen. Diese ist noch von Mönchen des Prämonstratenserordens bewohnt und bekannt für seinen speziellen Kräuterlikör (den man inzwischen online beziehen kann).

Fontvieille ist übrigens das Dorf wo Alphonse Daudet die berühmten "Lettres de Mon Moulin" geschrieben hat. Er selber hat zwar nie eine Mühle besessen, aber seine Briefe aus "seinen" Mühlen sind französisches Kulturgut. Vor dem Campingplatz weist eine Tafel auf den Mühlenwanderweg und Alphonse Daudet hin. Auf dem Weg von Fontvieille nach Arles gibt es auch eine Ruine der Abtei Montmajour. Das Gelände wurde 949 vom Kapitel der Kirche Sancti Trophime in Arles verkauft. Die Kirche haben wir uns am nächsten Tag in Arles angesehen. Als im 10. Jahrhundert den Mönchen von Montmajour die sumpfige Luft um das Kloster zu viel wurde, zogen sie übrigens etwas weiter nördlich und gründeten die Abtei Sait Michel de Frigolet. Und so schließt sich zufällig der Kreis, den wir vorher so gar nicht gesehen hatten.

02.08.2020 Arles (Frankreich)

Arles, die nach der Fläche mit 750 Quadratkilometern größte europäische Kommune und ca. 46 n.Chr. zur römischen Militärkolonie gemacht. Ort sehr langer Geschichte und vor allem zeitweise Lebensmittelpunkt des Malers Vincent van Gogh. Wegen diesem waren wir hier, aber die architektonischen Beifänge waren auch sehr spannend bis spektakulär. 

Wir wollten die 9km von Fontvieille bis Arles mit den auf dem Campingplatz gemieteten Fahrrädern zurück legen. Bis zur berühmten Brücke von Langlois klappte auch alles, dann beim Heimweg stürzte Evi an einer steilen Brückenauffahrt unglücklich und brach sich den Unterarm. Dank der großen Hilfe eines in der nähe wohnenden Ehepaares konnten wir Evi in das Krankenhaus bringen und das zweite Rad wurde durch den Campingplatzbetreiber abends bei dem Paar abgeholt. Aber der Reihe nach....

Auf der Tour von Fontvieille nach Arles sind wir an der Ruine des Klosters Montmajour vorbei gekommen. Da wir diese nicht ansehen wollten (Zeit), startete ich nur kurz die Drohne um wenigstens ein paar Luftbilder bzw. ein Video davon zu machen.

Danach radelten wir als erstes zur Stelle, wo van Gogh sein Bild "Das gelbe Haus" malte.

Ich habe an einigen Stellen die Bilder van Goghs mit meinen Bildern nebeneinander gestellt, damit man sieht, wie sich der Ort gewandelt hat (oder nicht). Zum Beispiel wurde "Das gelbe Haus" 1944 zerbombt und nie wieder aufgebaut. Im Nebenhaus (welches auf dem Bild zu sehen und deutlich wieder zu erkennen ist) befindet sich unten ein kleines Cafe, in dem wir unseren Flüssigkeitshaushalt in der Hitze und nach der Anstrengung der Radfahrt von Fontvieille ausgleichen konnten. Die Anfahrt erfolgte dorthin übrigens über die "Avenue de Stalingrad". Die Franzosen haben auch Rosa-Luxemburg-Parks etc., d.h. sie gehen mit deutscher Geschichte deutlich weniger problematisch um wie unsere einheimischen Politdeppen.

Vom Gelben Haus am Place Lamartine geht es dann durch das alte Porte de la Cavalerie an der Fontaine Amédée Pichot vorbei durch romantische, alte Gassen zum Amphitheater. Dieses wurde um 90 n.Chr. erbaut und wurde später im Mittelalter zu einer Festung umgebastelt. Heute kann man sich kostenpflichtig das Theater ansehen, wobei nicht wirklich viel zu sehen ist. Ansonsten gibt es auch neben den van-Gogh-Punkten viel römisches Geschichtsgut (z.B. ein antikes Theater, ein Steinobelisk, ein römisches Forum mit unterirdischen Bogengängen,...) zu sehen, aber dafür reichte unsere Zeit (zumal es Sonntag war und es kein offenes Geschäft zum Nachkaufen von Wasser gab) nicht aus. Wer einmal nach Arles kommt, sollte also viel Zeit einplanen und gute Wanderschuhe anziehen. Das Stadtzentrum und alle wichtigen Ansichtssachen sind zwar im Zentrum gut erreichbar angeordnet, aber die Lauferei durch die ganzen Gassen geht ganz schön auf die Socken.

Wie bereits angedeutet, waren wir zum Schluss bei der Brücke von Langlois, die van Gogh in verschiedenen Zeichnungen und Skizzen porträtierte. Ursprünglich stand die Brücke wesentlich mehr stadteinwärts, deshalb ist ein Fußmarsch vom Stadtzentrum eher nicht zu empfehlen. Heute ist die Brücke permanent hochgezogen, damit die Anglerboote etc. durch den Kanal paddeln können.

03.08.2020 Fontvieille (Frankreich) / Andorra la Vella (Andorra)

Eigentlich gibt es noch eine bisher nicht erwähnte kulturelle Sehenswürdigkeit in Fontvieille: Ein Römeraqueduct. Diese Wasserleitung versorgte die römische Militärstadt Arles mit Wasser und wurde in der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. gebaut.

Wir haben das Schild auf unserer Radtour nach Arles gesehen und wollten auf dem Rückweg vorbeifahren. Aufgrund des Unfalls wurde es jedoch nichts damit. Wir haben jedoch die Fahrt nach Andorra früh begonnen und da es sich nur um 411 km Fahrstrecke handelte, nutzten wir die Zeit um doch noch mit dem Auto einen Abstecher zum Aqueduct zu machen. Und siehe, mit dem Rad wäre es doch eine recht lange Fahrt geworden.

Hier hat Dirk zum ersten Mal einen Feigenbaum in Natur gesehen. Nach den Oliven in Tarascon eine weitere interessante Erkenntnis, wo eigentlich so das Futter herkommt.

Die weitere Fahrstrecke führte uns dann durch die französischen Pyrenäen. Die Maximalgeschwindigkeit lag bei 80 km/h, da die Route stets auf- oder abwärts ging, streckenweise starke Winde bliesen und Steigungen bzw. Gefälle von 8-11 Promille keine Seltenheiten waren. Wir waren aber pünktlich und ohne Probleme in Andorra.

Andorra ist ein politisches Unikum, da es als einziges Land der Welt von zwei ausländischen Staatsoberhäuptern gleichzeitig regiert wird. Das Land ähnelt in vielem der Schweiz: Steile Berghänge, dazuwischen gequetscht die Städte, wenig echte Wirtschaft. Andorra la Vella, die Hauptstadt, ist eine einzige Einkaufsmeile. Andorra ist als Niedrigsteuerland sehr beliebt bei alkoholkranken Kettenrauchern. Aber auch Bleifüsse bekommen was für ihr Geld: Der Benzinpreis für 95-oktaniges Gebräu lag so bei 1,02 €/Liter (in Deutschland haben wir für 1,30 €/L getankt und in Frankreich für 1,20 €/L). Diesel lag knapp darunter. Die Haupteinnahmequelle sind aber vermutlich im Winter die Spanier, Franzosen und Russen, die das Land zu einem zweiten Davos machen.

04.08.2020 Andorra la Vella (Andorra)

Zu Andorra habe ich ja bereits alles notwendige geschrieben: Steuerparadies, Skiparadies, Einkaufsparadies. Also ein Land für Paradiesvögel.

Wir sind früh losgezuckelt und wollten uns das alte Andorra ansehen. Letztendlich steht wenig von der alten Architektur. Das einzige historische Artefakt ist das Casa de la Vall, das Haus des Tales, von 1580. Heute ist es immer noch Sitz des andorranischen Parlamentes, auch wenn die Landesregierung sich ihrerseits einen prachtvollen Neubau mit Kunst davor gegönnt hat.Im Casa befindet sich der Schrank mit den sieben Schlüsseln, die von den Vertretern der sieben Täler zum gemeinsamen Öffnen des historischen Archives genutzt werden. Leider war das Museum, das es hier geben soll, zu.

05.08.2020 Andorra la Vella (Andorra) / Madrid (Spanien)

So, unser Kurzurlaub geht zu Ende, unser nächstes Ziel, die Hauptstadt der Spanier, Madrid, erwartet uns. Also nicht die Stadt, aber unsere zukünftige Wohnungsvermieterin.

Zum ersten und letzten Mal sahen wir früh den Mond über den Pyrenäen, dann ging es los in die neue Heimat. Vorher natürlich erst noch den Tank füllen, schließlich liegen 627 km vor uns.

Die andorranischen Zöllner lagen gelangweilt in ihren Bürostühlen, während der spanische Zoll den vermeintlichen Schmuggeltransporter der deutschen Kleinkriminellen untersuchen musste. Eine Flasche Alkohol, als Gastgeschenk mitgenommen, wurde inspiziert und etwas lustlos in einer der Kisten gekramt. Dann ließ man die armen Sünder (die selbstverständlich nichts geschmuggelt haben, da sie weder Alkohol trinken noch Zigaretten rauchen) weiter ziehen.

Dirk wollte noch sein Drohentagebuch mit einem Flug in Andorra krönen, aber leider war das Land sehr klein, das Tal sehr schmal und außerdem schon zu Ende, bevor man einen Halteplatz gefunden hat. Also startete Red Bumblebee dann zwar in den Pyrenäen, aber erst in Spanien.

Auf der Rückreise gab es keine Staus, aber aufgrund der Achterbahn-ähnlichen Autobahn wurde dann der Treibstoff sehr schnell knapp. Rasch den Reservekanister eingefüllt, sollte reichen. Nix da! Knapp Hundert Kilometer vor Madrid mussten wir noch eine Tankstelle anfahren, da wir sonst mit negativem Benzintankinhalt in Madrid aufgelaufen wären (rein rechnerisch).

Irgendwann waren wir dann tatsächlich da, sogar bis auf 4 Minuten Verspätung an den zwischendurch an die Vermieterin gegebene Ankunftszeit.

Fazit

Nach 2481 km mit dem Auto, 73.22 km Fussmarsch und 30.85 km Radfahren (ich, Evi natürlich weniger) haben wir den Umzug von Leipzig nach Madrid geschafft.

Jetzt wird noch Kater Gilbert nachgeholt, dann ist die Familie wieder beisammen in einem neuen Land mit neuen Herausforderungen. Weiter geht es dann im Spanienblog.

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